Beiträge von MuesLee

    Dualstar  MatzR

    Vielen Dank ?.

    MuesLee Vielen Dank, sehr gut geschrieben. Sogar ich als Kaufmann kann das nachvollziehen, auch wenn ich die Situation immer mehr von der kaufmännischen Seite und den Effekten auf die globalen Lieferketten und die Weltkonjunktur betrachte.


    An einer Stelle fiel mir ein Widerspruch zwischen meinen Kenntnissen und Deiner Schilderung auf…

    Das geht ja runter wie Öl ?.


    Eventuell kann ich hier noch etwas Licht ins Dunkel bringen. warhammer hat freundlicherweise schon Links zu einigen Definitionen verteilt.


    Die Diskrepanz kommt sicher daher, dass Infineon in der Information von dir, vor allen Dingen die „komplexen“ HL als solche bezeichnet. Dahinter verbergen sich dann klassischerweise μC, oder auch System-Basis-Chips (diese übernehmen diverse Spannungsversorgungen, kleinere Steuerungsfunktionen und überwachen die Funktionsffähigkeit des μC). Davon benötigt man in der Regel pro SG nur sehr wenige. Die Grenze „komplex“ / „simpel“ ist aber vollkommen willkürlich.


    Alles was dann an einzelnen Transistoren, Dioden etc. mit verbaut wird, nennt sich häufig liebevoll Vogelfutter ?.


    Alternativ stammt deine Kenntnis aus einer Zeit, bei der inzwischen ein paar Monde vorüber gezogen sind ?.

    Eine kleine Anmerkung zur Diskussion.


    Ja der Enyaq hat keinen Frunk und eine Frontklappe aus Stahl ohne Gasdruckdämpfer. Vielleicht auch weil eben aktuell „nur“ (manche wie GiMichael müssen da unglücklicherweise oft hin,) das Wischwasser nachgefüllt werde muss.

    Allerdings bei ca. 80% der Kunden (für die Fahrzeuge hauptsächlich entwickelt werden) reicht vielleicht 1x in 3-6 Monaten. Daher ist das aus unternehmerischer Sicht eine gute Möglichkeit mit wenig negativer Kundenerfahrung Geld zu sparen und an anderer Stelle zu investieren.


    Hätte der Enyaq jetzt einen Frunk würde die Frontklappe vielleicht aus Aluminium inkl. Gasdruckdämpfer sein.
    Wir wissen es schlicht nicht, oder kennt jemand das Lastenheft für die Frontklappe ?? Vielleicht konstruiert es Skoda anderes, wenn sie davon ausgehen, dass regelmäßig jemand dahin muss / möchte.


    Persönlich gehe ich davon aus, dass auf kurz oder lang alle reinen E-Fahrzeuge einer gewissen Größe einen Frunk bekommen. Genau aus dem Grund, dass sich reichweitenstarke Medien darüber aufregen wenn es nicht so ist und damit einen Großteil der potentiellen Kundschaft beeinflussen. Stört es mich das er das aktuell nicht hat…nein auch weil ich a) noch keinen Enyaq in der Garage stehen habe ? und b) es die Verbrenner (mit wenigen Ausnahmen) auch nicht haben ?.

    Nachdem das Ende des Mittagsschlafs unserer Großen heute jäh meinen Beitrag zum Thema HL und Automobilindustrie unterbrochen hatte, möchte ich das Thema noch einmal aufnehmen.


    Voran sind das natürlich nur meine persönlichen Erfahrungen die ich während meiner Zeit in der HL-Industrie, als auch jetzt in der Automobilindustrie gemacht habe. Da jede Firma etwas anders tickt, sind die Einblicke logischerweise auch unvollständig. Aber ich versuche strukturiert zu bleiben und wenn nicht nehm ich Empfehlungen für gute Kommunikationsseminare an :).


    Zum Thema Angebot / Nachfrage HL

    Grundsätzlich gab es in den letzten Jahren einen kontinuierlichen Zuwachs am gesamthaften Bedarf von Halbleitern von ca. 10% pro Jahr. Eine Ausnahme war dann 2020, wo besonders in der Automobilindustrie im großen Stil zuerst Bestellungen der OEMs gegenüber den 1st Tier (und teilweise direkt gegenüber den HL-Herstellern) storniert haben und diese dann die Stornierungen in der Lieferkette weitergegeben haben.

    Die HL-Hersteller haben dann teilweise Ihre Kapazitäten anderweitig genutzt, da gleichzeitig der Bedarf an Vernetzungstechnologie und Consumer Elektronik stieg.

    Durch den sprunghaften Anstieg an Bedarfen ab Ende 2020 / Beginn 2021, in Kombination mit extrem langen Produktionszeiten für HL mit auch gern mal 6 Monaten, bildete sich die Lücke in der Verfügbarkeit. Dazu wurde von Seiten einiger Lieferanten nicht so bestellt wie es hätte sein müssen, da durch die übergreifende Coronasituation und die schon reduzierten Barmittel, das Risiko neuerlicher Shutdowns und Stornierungen Seitens der OEMs nicht mehr ohne weiteres tragbar war.

    Es gibt zusätzlich einen überlagerten Trend, der sich wahrscheinlich auf Grund der gestörten Lieferketten, nun deutlich schneller zeigt, aber auch ohne die akuten Probleme in wenigen Jahren zum tragen gekommen wäre.

    Grundsätzlich finden die Investitionen wie bereits einige Seiten vorher beschrieben vornehmlich in den neusten Strukturgrößen und Technologien statt. Das führt nun dazu, dass es zwar durchaus genug Kapazität in Strukturgrößen kleiner 14nm gibt, allerdings der Großteil der im Automotive Bereich benötigten HL in Strukturgrößen zw. 90 - 300nm gefertigt wird. Und da durch Elektrifizierung, Infotainment und Assistenzsysteme die Nachfrage steigt gibt es mittelfristig ein Kapazitätsproblem.


    Speziell mit dem VW-Konzern kommt noch ein weiterer Faktor zu tragen. VW ist extrem unbeliebt bei seinen Lieferanten. Das hat zum einen etwas mit dem Auftreten zu tun, aber auch wie VW wirtschaftlich mit seinen Lieferanten umgeht. Es ist eine Hassliebe, VW sorgt für hohe Umsätze und Auslastung in der Produktion, agiert aber sehr häufig von "oben herab". Bei Verfehlungen des Lieferanten wird auch gern mal überfallartig beim Lieferanten aufgetreten ohne ein gewisses Augenmaß erkennen zu lassen.


    Nun stellt sich natürlich die Frage, warum nicht einfach modernere Komponenten nutzten, die in kleineren Strukturgrößen gefertigt werden? Da ist zum einen das Thema Änderungsprozess für SG die bereits in Serie produziert werden (ich geh später noch darauf ein), Lock-In Effekte durch spezialisierte Technologie und zum anderen schlicht, dass die Notwendigkeit nicht besteht. Ein Analog-IC (Spannungswandler, Treiber, etc.) tut seine Aufgabe wunderbar in der Technologie die es aktuell gibt. Der Druck mehr Rechenleistung (und damit kleinere Strukturgrößen) bereitzustellen ist gering und damit gibt es einfach kaum ein Angebot an Automotive geeigneten HL in kleineren Strukturgrößen.

    Der Lock-In Effekt resultiert z.B. daher, dass viele Rechenaufgaben auf Grund ihrer Sicherheitsanforderungen (ASIL, FIT-Raten) mittels spezialisierter µC (z.B. Infineon Aurix) durchgeführt werden müssen. Ein Wechsel von einer Technologie zur anderen, zieht einen Rattenschwanz an weiteren Aufgaben nach sich. Eine Verbesserung ist aber damit nicht garantiert, da viele dieser µC auf Grund der Zuverlässigkeit in älteren Strukturgrößen 40 - 90nm gefertigt werden.


    Hier noch ein sehr interessanter Artikel zu dem Thema: https://www.elektroniknet.de/h…bleiben-knapp.192869.html.


    Zum Thema Zentralisierung / Nutzung möglichst wenig SG


    Tesla, aber auch Nie oder XPeng sind Vorreiter bei der Umsetzung einer hoch zentralisierten Architektur. Es gibt einige Punkte die für die Umsetzung dieser Topologie sprechen (z.B. einfacherer Fahrzeugkabelbaum, 1 übergreifendes Betriebssystem für viele Anwendungen, Platzersparnis), aber natürlich holt man sich damit auch einige Nachteile ins Haus (z.B. 1 komplexes und übergreifendes Betriebssystem, was schlechter spezialisiert werden kann, Änderungen wirken immer auf komplexe SG mit langen Absicherungszeiten, mehr Ausschuss bei Produktion der SG).

    Grundsätzlich ist aber über alle OEMs eine Zentralisierung zu erkennen. Wie weit das nun jeder treibt ist auch ein bisschen der Historie und Philosophie des Unternehmens geschuldet. Wenn man mal ein bisschen im Internet sucht, dann findet man verschiedene Topologie die in Zukunft eingesetzt werden (z.B. Stichwort Zonenkonzept Automotive).

    Man will halt auch nicht unbedingt ein 2500€ Steuergerät damit beschäftigen die Fenster auf und zu zu machen 8o. Dazu ist die Auswahl an µC die sowohl die Sicherheitsanforderungen als auch hohe Rechenleistung bieten sehr überschaubar.


    Zum Thema Änderungsmanagement


    Auf Grund der aktuellen Situation kommt es natürlich häufig vor, dass von den 50 HL für ein SG 49 verfügbar sind und eins nicht. Hier ist nicht nur der Einkauf der jeweiligen OEMs bzw. Lieferanten verantwortlich, warum einige OEMs besser durch die Krise kommen als andere. Ein wichtiger Punkt ist auch bereits in der Entwicklung auf einen Multi-Source Strategie zu setzten. Dann kann ich sehr einfach z.B. pinkompatible HL verschiedener Hersteller verwenden. Das bedarf dann nach einmaliger Erprobung auch kaum weiterer Änderungen.

    Sollte dann doch mal eine Änderung im SG notwendig sein, dann sind hier auch die Philosophien der OEMs extrem unterschiedlich. Einige (z.B. Renault) tun sich sehr schwer damit nach Serienfreigabe eine Änderung umzusetzen.


    Die Absicherungen für Änderungen mit den in vorherigen Posts erwähnten Zertifizierungen kann ich so nicht ganz nachvollziehen. Ja es gibt einige notwendige Zertifizierungen speziell zur Homologation des Fahrzeugs, allerdings müssen bei nachfolgenden Änderungen meist nicht mehr alle erneut nachgewiesen werden, bzw. beziehen sich auch auf Entwicklungsprozesse die sich durch die Änderung nicht zwangsläufig ändern.

    Selbst das Redesign für einen neuen µC der selben Familie (und damit der Einsatz der bereits genutzten SW-Toolkette) lässt sich in ca. 12 Monaten bewerkstelligen. Das ist dann aber auch so ziemlich die komplexeste HL-Änderung die ich so kenne. Für viele Änderungen an Analog-ICs, Widerständen oder z.B. 8-Bit ASICs sind deutlich kürzere Zeiten möglich ohne für den Kunden ein funktionales oder Zuverlässigkeitsproblem zu erzeugen. Häufig muss für die Behörden die funktionale Neutralität der Änderung nachgewiesen werden. Speziell diese Tests lassen sich aber aus meiner Erfahrung bereits während der Entwicklung automatisieren.


    Wurde jetzt doch etwas länger, aber hat sich ja der ein oder andere hier im Wartesaal (gibt ja noch nichts anders mit dem Auto zu tun 8o) die Zeit zu lesen genommen.

    Spekulation:; Kalte Lötstelle im STG…… oder ein Haarriss…. Oder, oder oder - Hoffentlich finden sie bald heraus woran es liegt

    So etwas in die Richtung hab ich mir auch gedacht speziell in Kombination mit einem bestimmten Temperaturbereich des SG.

    Dann kam mir aber noch folgendes in den Sinn (https://www.heise.de/news/Soft…nt-von-Mazda-6446140.html) wie in den USA ein Radiosender das Infotainment mehrerer Mazda abgeschossen hat. Die haben sich interessanterweise auch nicht mehr nach Busruhe erholt.


    Es bleibt spannend aber Skoda bzw. der Lieferant des betreffenden SG wird das Ding gern in die Finger für weitere Analysen bekommen.

    Meine bescheidene Meinung dazu ist, dass dem VW-Konzern vermutlich kaum etwas besseres passieren konnte.

    Das klingt im ersten Moment merkwürdig aber ich versuche das etwas aufzulösen.


    Historisch betrachtet, hat der Konzern schon ein paar Mal ins Klo gegriffen (z.B. Sparzwang unter Hr. Lopez, kreative SW-Lösung für NEFZ-Verbrauch), dennoch hat der Konzern bis heute überlebt und das nicht schlecht. Es ist kein Garant für die Zukunft, aber alles in allem gibt es sehr viele Kunden am Markt die dennoch gern zu einem Produkt aus diesem Hause greifen. Sprich auch jetzt ist meiner Meinung nach nicht unbedingt davon auszugehen, dass die Kunden mit diesem Problem in Scharen davon rennen werden.


    Wenn so etwas wie die Gründung von CARIAD, schwerfällig läuft (auch weil gewiss viele Silos eingerissen werden müssen) und die daraus entstehenden Produkte nicht der Erwartung entsprechen, so kann dies zu einem gewaltigen Umschwung führen um zu zeigen, dass man es besser kann und weil auf Grund der öffentlichen Wahrnehmung auch von Seiten des Management die Weichen richtig gestellt werden und gewisse Akteure im Konzern sich nicht mehr verstecken oder heraus reden können. Denn das es nicht funktioniert wie gedacht sieht man aktuell.


    Zum Schluss kann ich noch ein schönes thematisches Beispiel geben. BMW hat beim E65 (der ersten 7er mit iDrive) die SW-Entwicklung aber vor allem Integration zu einem Gesamtwerk ziemlich in den Sand gesetzt. Es gab lange massive Probleme, allerdings hat dieses Drama dazu geführt, dass die gesamten Entwicklungsprozesse für SW überarbeitet wurden. Es wurde erkannt, das es wichtig ist und besserer Rahmenbedingungen benötigt. Im Endeffekt mach 20 Jahren Entwicklung ist BMW neben Tesla aktuell der einzige Hersteller, der wirklich größere Mengen Fahrzeuge produziert und von jedem Steuergerät im Systemverbund die Codezeilen nach Produktion ändern kann. Aber es hat gedauert da hin zu kommen.